Ohne Druck den realen Einsatz trainieren

Interschutz

PantherMedia / Simone Bühring

Ralf Seebode hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Als Jugendrotkreuzler entdeckte er seine Leidenschaft für den Bereich Erste Hilfe und Sanitätsdienst. Seit 2001 steht er an der Spitze der DRK-Rettungsschule Niedersachsen in Hannover - zunächst als stellvertretender Schulleiter und seit 2011 schließlich als Schulleiter. Unsere Redaktion hatte viele Fragen an ihn. 

Wie ist Ihr Karriereweg? Wie sind Sie zum DRK gekommen? Und von dort dann zur Leitung der Rettungsschule?

Ich bin über das Jugendrotkreuz und als ehrenamtliches Mitglied der Bereitschaft zum Rettungsdienst gekommen. Hier habe ich für die Bereiche Erste Hilfe und Sanitätsdienst Erfahrung als Ausbilder machen können. So habe ich nach meiner Ausbildung zum Rettungssanitäter Anfang 1980 begonnen nebenberuflich an der DRK Rettungsschule zu unterrichten, bis ich 1988 hauptberuflich an die Schule gewechselt bin.

Wie viele Teilnehmer in wie vielen Klassen machen bei Ihnen aktuell die Ausbildung zum Notallsanitäter oder zur Notfallsanitäterin?

Wir haben pro Ausbildungsjahrgang vier Schulklassen mit 20 bis 22 Schülerinnen und Schülern. Derzeit sind in den drei Ausbildungsjahrgängen insgesamt 246 Schülerinnen und Schüler an unseren beiden Ausbildungsstandorten in Goslar und Hannover in der Notfallsanitäterausbildung.

Herr Seebode, wenn Sie sich den idealen Bewerber für die Notfallsanitäter-Ausbildung vorstellen – was bringt der mit?

Der ideale Bewerber sollte mit der Motivation, Menschen in kritischen, oftmals lebensbedrohlichen Situationen adäquat helfen zu können, in die Ausbildung gehen. Er sollte wissbegierig gegenüber den Themen der Notfallmedizin und kommunikativ aufgeschlossen sein sowie Spaß an der Teamarbeit haben. 

Vor allem muss er über die Bereitschaft verfügen, für sein Handeln die Verantwortung zu übernehmen, um die ihm anvertrauten Patienten jederzeit optimal zu versorgen.

DRK-Rettungsschule Niedersachsen in Hannover
DRK-Rettungsschule Niedersachsen in Hannover
Quelle: Interschutz / DRK-Rettungsschule Niedersachsen

Wie schaffen Sie es, Bewerber zu finden, die diesem Ideal besonders nahe zu kommen?

Glücklicherweise haben wir in den Rettungsdiensten sehr viele Bewerber für die Ausbildung. Neben entsprechenden Praktika finden hier sehr umfangreiche Auswahlverfahren statt, um die richtigen Auszubildenden zu finden.  

Einen großen Teil Ihres Angebots macht die Fortbildung aus. In welchem Bereich sind regelmäßige Updates am nötigsten? Oder anders gefragt: Wo schleichen sich im beruflichen Alltag am schnellsten Nachlässigkeiten ein?

Den größten Bedarf an Fortbildung gibt es immer in den Themenbereichen, die nicht zum routinemäßigen Einsatzspektrum zählen. Aber für alle Bereiche der Notfallmedizin gilt es, die sich ständig ergebenden Neuerungen kennen zu lernen und umsetzen zu können. Das gelingt nur, wenn man sie ohne den Druck des realen Einsatzes trainieren kann.

Sie können mehr als 100 Notfallsituationen in Ihrem Simulations- und Trainingszentrum üben. Sind da noch Wünsche offen? Fehlt Ihnen eine Situation?

Mit unserem Simulations- und Trainingszentrum in Hannover-Misburg sind wir bestens aufgestellt. Unser Vorstand unterstützt uns bei der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Wir erweitern ständig das Spektrum durch die Beschaffung neuer Trainingsgeräte, sodass wir keine offenen Wünsche haben.

Als eine Möglichkeit der Simulation nutzen Sie seit einigen Monaten Virtual Rescue, eine VR-Brille, die unterschiedliche Rettungsszenarien simuliert. Wie fühlt sich ein simulierter Einsatz in der virtuellen Welt an?

Mit Virtual Rescue haben wir ein Szenario geschaffen, mit dem wir alle Teilnehmer eines Kurses durch das exakt gleiche Geschehen führen, um nach einer Explosion die Vielzahl der Patienten zu sichten und nach ihrer Behandlungspriorität einzustufen. Durch die VR-Brille hat der Teilnehmer sehr schnell das Gefühl, wirklich in dem realen Einsatz zu sein. Das sieht man besonders daran, wie sich der Teilnehmer in dem Einsatz bewegt und beispielsweise über Hindernisse steigt. Als Feedback haben uns bisher alle Teilnehmer die große Realitätsnähe gemeldet. Das lässt sich durch Filme oder Ähnliches nicht erreichen.

Der Umgang mit Technik liegt nicht jedem. Als wie benutzerfreundlich empfinden Sie VR-Brillen?

Wir haben zu Beginn ein Tutorial für den Einsatz mit der VR-Brille entwickelt, um die Teilnehmer an die Situation und die Steuerung zu gewöhnen. Bisher gab es auch bei den nicht ganz so technikaffinen Teilnehmern keine Probleme. 

Eine junge Kollegin, die erst eher ablehnend war – "Was soll mir so ein Videospiel bringen?" – war nach ihrem Durchgang so begeistert, dass sie eine Wiederholung wollte. Etwas störend ist für uns, dass die drahtlose Übertragungstechnik von der VR-Brille zum Notebook noch nicht ganz so zuverlässig funktioniert. Derzeit verwenden wir noch eine VR-Brille mit einer Kabelverbindung. Wir hoffen aber, dass hier durch die Weiterentwicklung der Technik das Ganze in Zukunft noch komfortabler wird.  

Wie schätzen Sie die Entwicklung bei der Simulation mit Hilfe digitaler Technologien ein? Wird es künftig schon in Erste-Hilfe-Kursen VR-Brillen geben?

Die Entwicklung der digitalen Technologien geht rasant voran und wird dadurch auch wirtschaftlich immer erschwinglicher. Die Anwendungsmöglichkeiten werden immer breiter, sodass ich mir sehr gut vorstellen kann, dass unterstützende Systeme wie die VR-Brille mit entsprechenden Szenarien auch in der Ersten Hilfe Einzug halten werden. 

DRK-Rettungsschule Niedersachsen in Hannover
DRK-Rettungsschule Niedersachsen in Hannover
Quelle: Interschutz / DRK-Rettungsschule Niedersachsen

Beteiligen Sie sich als DRK-Rettungsschule auch an der Weiterentwicklung von Simulationstechnik?

Wir wollen unser System gern zu einer Multiplayerlösung weiterentwickeln, um nach der Sichtung der Patienten die Versorgung durch Rettungsteams, die mit VR-Brillen ausgestattet sind, durchführen zu lassen.  

Gibt es etwas, das sich beim besten Willen nicht mit technologischen Hilfsmitteln üben lässt?

Derzeit ist vor allem die Interaktion mit dem Patienten in der konkreten Versorgungsituation etwas, das sich nur durch Situationstraining mit Mimen üben lässt. 

Was zeigen Sie als DRK-Rettungsschule auf der INTERSCHUTZ 2020?

Neben dem Virtual Rescue Programm werden wir verschiedene Versorgungssituationen mit unterschiedlichen Simulationsgeräten präsentieren. Wir möchten die Vielfältigkeit der Notfallsanitäterausbildung auf der Messe zeigen und den Besuchern einen Einblick in die vielen Facetten dieses Berufes zu geben. Wir freuen uns darauf, mit vielen interessanten Menschen gute Gespräche zu führen. 

Und ganz persönlich: Was verbinden Sie mit der INTERSCHUTZ und worauf freuen Sie sich am meisten?

Die INTERSCHUTZ als größte Messe weltweit bietet zum einen die Möglichkeit viel Neues zu sehen und zu erfahren, zum anderen aber auch den Austausch mit den unterschiedlichsten Fachleuten aus der "Blaulichtszene". Ich freue mich auf diesen Austausch und darauf, uns als DRK-Rettungsschule präsentieren zu dürfen.


Über die DRK-Rettungsschule Niedersachsen 

Die DRK-Rettungsschule Niedersachsen bildet seit 1969 Spezialisten für den Rettungsdienst aus und fort. Dazu gehören neben Rettungssanitätern, Rettungsassistenten (bis 2014) bzw. Notfallsanitätern und Lehrrettungsassistenten sowie Praxisanleitern auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst, Rettungswachenleiter, Notärzte und Leitende Notärzte. Etwa 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet – auch Organisationen ohne Rotkreuzbezug – nutzen jährlich das Bildungsangebot der niedersächsischen Rettungsschule des DRK. 

Im Simulations- und Trainingszentrum der Rettungsschule in Hannover können auf 1.200 Quadratmetern mehr als 100 Notfallsituationen simuliert werden. Dafür stehen beispielsweise eine voll eingerichtete Wohnung, Baugrube, Gerüst, Werkstattbereich, Spielgeräte, Bushaltestelle mit Zebrastreifen, LKW-Führerhaus sowie eine ausgefeilte Licht- und Tontechnik zur Verfügung. 18 Videokameras ermöglichen das Aufzeichnen, Übertragen und Auswerten der Übungen.

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